Die Partnerschaft zu Eisenhüttenstadt war die erste Partnerschaft einer deutschen Gebietskörperschaft mit einer Kommune auf dem Territorium der ehemaligen DDR und zum damaligen Zeitpunkt im Sinne der Friedenssicherung ein Meilenstein zur Annäherung der Menschen in Ost und West. Trotz vieler bürokratischer Hürden und oft kaum überwindbarer politischer Hemmnisse gelang es bereits in den ersten Jahren der Partnerschaft, die Menschen durch - wenn auch stark reglementierte - Begegnungen einander näher zu bringen. Der Fall der Mauer und die Wiedervereinigung wirkten wie ein Katalysator auf die Partnerschaftsbeziehungen, die Begegnungen vervielfältigen sich, die Kontakte privatisierten und verselbständigten sich.
Die erste deutsch-deutsche Städtepartnerschaft zwischen Saarlouis und Eisenhüttenstadt, die am
19.September 1986 in Saarlouis und am 6. Oktober 1986 in Eisenhüttenstadt feierlich besiegelt wurde, sorgte bundesweit, ja sogar weltweit für Aufsehen und war nicht nur den Tagesthemen eine Topmeldung wert, sondern fand in den Medien international große Beachtung.
Niemand hätte es für möglich gehalten, dass die DDR-Führung diesem Vorhaben tatsächlich zustimmen würde, und auch mancher Politiker im Westen kritisierte das politisch motivierte Ansinnen als einen „kommunalpolitischen Griff nach den Sternen der Weltpolitik“.
Dass die Partnerschaft zwischen zwei Kommunen im geteilten Deutschland zustande kam, ist dem behutsamen, diplomatischen, aber zugleich auch beharrlichen Vorgehen der Verhandlungspartner der ersten Stunde zu verdanken, die immer ein Ziel vor Augen hatten: die Annäherung der Bürgerinnen und Bürger beider deutscher Staaten und den Aufbau freundschaftlicher Beziehungen. Langfristig erhoffte man sich durch diese Kontakte einen Beitrag zur Friedenssicherung im Kontext des Ost-West-Konfliktes und des Kalten Krieges.
Begonnen hatte alles 1984 mit einem Antrag der Fraktionen der SPD und der Grünen im Stadtrat der Kreisstadt Saarlouis. Nach kontroversen Diskussionen wurde schließlich über die Parteigrenzen hinweg ein einstimmiger Beschluss für eine Städtepartnerschaft mit einer Stadt in der DDR gefasst. Es folgten Briefe, Anträge, Telefonate und zähe Verhandlungen mit dem Ministerium für innerdeutsche Beziehungen und der Ständigen Vertretung der DDR in Bonn, die alle zunächst nicht zum Erfolg führten.
Den Durchbruch brachte schließlich ein Besuch des Saarländischen Ministerpräsidenten Oskar Lafontaine beim Staatsratsvorsitzenden der DDR, Erich Honecker. Einer Städtepartnerschaft mit Saarlouis wurde nun zugestimmt, allerdings nicht mit dem Wunschpartner Halberstadt, wohin viele Saarlouiser Bürger 1939/40 evakuiert worden waren, sondern mit der „ersten sozialistischen Stadt der DDR“, Eisenhüttenstadt, die 1950 (mit dem Namen Stalinstadt) als Wohnstadt für das neue Eisenhüttenkombinat Ost auf dem Reißbrett entworfen und geplant worden war.
Heute, 30 Jahre nach der Deutschen Wiedervereinigung, klingen die Geschichten und Anekdoten aus den Anfangsjahren der Partnerschaft skurril. Wer es nicht miterlebt hat, kann sich kaum mehr vorstellen, dass um den Wortlaut der Partnerschaftsvereinbarung tagelang heftig gestritten und debattiert wurde und die verschiedenen weltanschaulichen Positionen textlich ihren Niederschlag finden sollten, obwohl es doch eigentlich um die Begegnung der Menschen ging.
Gleiches gilt für die strengen Reglementierungen und thematischen Festlegungen, denen die Besuchsprogramme unterworfen waren, die strikte Ablehnung der Unterbringung in Privatquartieren – einer Selbstverständlichkeit in den deutsch-französischen Beziehungen und dort Garant für das Funktionieren partnerschaftlicher Beziehungen. Die Partnerschaft zwischen Eisenhüttenstadt und Saarlouis hat viel erlebt und hat Geschichte geschrieben. Selbst die „Republikflucht“ eines Musikers aus dem Unterhaltungsensembles EKO-Ost während eines Delegationsbesuches im Juli 1987 in Saarlouis konnte dem zarten Pflänzchen Partnerschaft keinen Schaden zufügen, auch diese schwierige Situation wurde von den Verantwortlichen mit Bravour gemeistert.
Bis zum politischen Umbruch und dem Fall der Mauer im Jahre 1989 waren Saarlouis und Eisenhüttenstadt Vorbild für ca. 60 weitere Kommunen, Begegnungen der Bürgerinnen und Bürger der BRD und der DDR zu initiieren und zu fördern und eine Städteverbindung einzugehen. Gemeinsam mit den deutsch-deutschen Kommunalpartnerschaften, die in den Jahren 1986-1989 entstanden sind, haben so auch Saarlouis und Eisenhüttenstadt ihren kleinen Beitrag zur Annäherung von Ost und West geleistet und hiermit vielleicht ein Mosaiksteinchen zu einer friedlichen Wiedervereinigung gelegt.
Die Entwicklungen im Jahre 1990 wirkten wie ein Katalysator auf die Austauschbeziehungen:
Die Begegnungen der Bürgerinnen und Bürger multiplizierten sich, Vereine, Gruppen und Einrichtungen knüpften auch ohne Initiative und Kontrolle der Verwaltungen Kontakte, trafen sich nun häufig, der Austausch wurde intensiver, Privatbesuche wurden möglich, die Euphorie und das Gefühl der Freiheit wuchs, die Freundschaften verfestigten sich.
Erste wirtschaftliche Beziehungen entstanden, die Feuerwehren aus beiden Städten gingen 1990 eine eigene Partnerschaft ein, die sie bis heute mit ungebrochenem und vorbildlichem Engagement leben.
Eine der größten Errungenschaften dieser Zeit sind die „Saarlouiser Partnerschaftsgespräche“, zu denen sich Verwaltung, Ratsmitglieder und Vertreter zivilgesellschaftlicher Gruppen aus Saarlouis und Eisenhüttenstadt bis heute gemeinsam mit den Partnern aus Saint-Nazaire und Drancy in Frankreich, Głogów in Polen, Avilés in Spanien und Dimitroffgrad in Bulgarien zum interkommunalen Erfahrungsaustausch treffen. Für diese Initiative erhielt Saarlouis 2007 eine Ehrung im Rahmen des Europapreiswettbewerbes des Saarlandes.
In der zweiten Hälfte der 90er Jahre kehrten allmählich Alltag und Normalität in die Beziehungen ein. Persönliche Freundschaften überdauerten, es gab sogar mehrere Eheschließungen. Und auch die Verwaltungen trafen sich weiterhin regelmäßig zum fachlichen Austausch, die städtischen Museen verfestigten ihre guten Beziehungen. Doch die großen Vereinsbegegnungen im Sport- und Kulturbereich, einem Kernbereich der frühen Jahre, sind seither rückläufig. Geblieben sind hingegen die regelmäßigen Auftritte von Bands-, Musik- und Kulturgruppen aus der Partnerstadt und die beliebten Gastronomiestände der Feuerwehren beim Stadtfest in Eisenhüttenstadt und bei der Emmes in Saarlouis.
Dass auch junge Leute Geschmack an den Partnerschaften finden, Spaß daran haben und Wertschätzung aufbringen, beweist das Beispiel der Feuerwehren aus Eisenhüttenstadt und Saarlouis: Dort ist es gelungen, die nachfolgende Generation nahtlos einzubinden. Neben den klassischen Feuerwehrbegegnungen werden regelmäßig internationale Jugendzeltlager in den Partnerstädten organisiert, zu denen auch befreundete Wehren aus anderen Ländern eingeladen sind. Die Jugendlichen sagen selbst: „Man fühlt sich wie in einer Familie, man wird herzlich empfangen, freundlich aufgenommen und fühlt sich wohl bei den Partnern. Das ist einfach schön.“
Trotz dieser "Normalisierung" der Beziehungen gab es jedoch im November 2009 einen besonders denkwürdigen Augenblick für die Partnerschaft: den Besuch einer hochrangigen Delegation aus dem südkoreanischen Wiedervereinigungsministerium, die sich im Saarlouiser Rathaus Informationen über die Entstehung und Entwicklung der ersten deutsch-deutschen Städtepartnerschaft einholen wollte – in der festen Überzeugung, dass Kommunalpartnerschaften einen wichtigen Beitrag zur Annäherung der Bürgerinnen und Bürger leisten und somit Motivation sowie ein positives Klima für das (Wieder-) Zusammenwachsen von Staaten schaffen können.
Seit 2016 ist die Partnerschaft mit Eisenhüttenstadt um eine Facette reicher: Es wurden intensive Kontakte zu Drancy, der französischen Partnerstadt Eisenhüttenstadts geknüpft, die sukzessiv ausgebaut werden. Der Wunsch der Partner: Eine Dreierpartnerschaft. Hier sollen künftig insbesondere Jugendbegegnungen im Dreierverbund eine tragende Rolle spielen.
Tragender Pfeiler der Beziehungen zwischen Saarlouis und Eisenhüttenstadt ist weiterhin die Feuerwehrpartnerschaft, die in 2020 ihr 30-jähriges Jubiläum feierte.
Ebenso bedeutsam sind die Auftritte der Bands, Gesangs-, Tanz- und Musikgruppen bei den jeweiligen Stadtfesten, aber auch zu besonderen städtischen Anlässen und Ereignissen. Unvergessen bleibt der Besuch des Traditionsspielmannszuges EKO e.V. beim großen Festumzuge zum 200-jährigen Jubiläum des Landkreises Saarlouis. Die städtischen Museen pflegen weiterhin eine gute Zusammenarbeit und planen gemeinsame Ausstellungsprojekte. Die Saarlouiser Partnerschaftsgespräche haben zu vertieften Verwaltungskontakten in den Bereichen Veranstaltungsmanagement, bedarfsorientiertem Wohnungsbau und Quartiersentwicklung geführt.
Neu initiiert wurden in 2020 Kunstausstellungen und Künstlerbegegnungen. Für 2022 stehen die Themen Quartiersmanagement, Tourismus und ein neuer Jugendaustausch auf der Agenda.
Auch sollen wieder Bürgerreisen verlost werden - eine neue Form des Kennenlernens der Partnerstadt. Diese schöne Idee wurde 2019 von der ehemaligen Fachbereichsleiterin Martina Harz initiiert und stieß gleich im ersten Jahr auf sehr große Resonanz.