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Auszeichnung für verstorbene Ehrenbürgerin: Willkommen auf dem neuen „Esther-Bejarano-Platz“!

Oberbürgermeister Peter Demmer begrüßte die zahlreichen Gäste, darunter Ricarda Kunger, die Vorsitzende der Synagogengemeinde Saar, Prof. Dr. Roland Rixecker, den Beauftragten für jüdisches Leben im Saarland und die beiden Saarlouiser Ehrenbürger Erich Pohl und Alfred Gulden. „Dieser Platz, an dem wir heute stehen, hat eine starke Symbolkraft, liegt er doch unmittelbar an der ehemaligen jüdischen Synagoge, die Esther Bejarano mit ihrer Familie besucht hat und die während der Novemberpogrome 1938 zerstört wurde. Esthers Vater, Rudolf Loewy, war in der jüdischen Gemeinde in Saarlouis als Kantor und Lehrer tätig“, erläuterte er die Standortwahl und bedankte sich bei allen, die an der Umsetzung dieses wichtigen Projekts mitgearbeitet haben. „Mögen uns dieser Platz und das neue städtische Kinder-, Jugend- und Familienzentrum in der Dieselstraße, das im Oktober ebenfalls nach ihr benannt wird, immer an diese kleine, aber doch so große Frau erinnern. Es liegt in unser aller Verantwortung, ihr Engagement, dass sich Geschichte nicht wiederholt, in ihrem Sinne weiterzuführen und uns stets aktiv vehement gegen Rassismus und Diskriminierung einzusetzen“, so Demmer.

Nach seiner Einleitung übergab er das Mikrofon an Ricarda Kunger, die die Festrede bei der Platzeröffnung hielt. Sie blickte zurück auf das bewegte Leben der Geehrten, die 1924 in Saarlouis geboren wurde. „1935, nach der Rückgliederung des Saargebietes in das Deutsche Reich wurden auch die Repressalien gegen die jüdischen Familien stärker. Jüdische Kinder durften nicht mehr auf arische Schulen gehen, sie mussten fortan jüdische Schulen besuchen, so auch Esther Bejarano.

1936 zog die Familie nach Ulm, ihre beiden älteren Geschwister wanderten 1937 aus Deutschland aus. Ihr Bruder nach Amerika und ihre Schwester nach Palästina. Esther wurde 1940 in ein Vorbereitungslager bei Berlin zur Auswanderung nach Palästina geschickt. 1941 beginnen die Nazis mit der systematischen Vernichtung von Juden. Esther Bejaranos Eltern werden von Breslau nach Kowno in Litauen deportiert und dort mit 1000 anderen Juden erschossen. Sie selbst wird zur Zwangsarbeit in das Lager Neuendorf bei Fürstenwalde einbestellt“, so die Schilderung.

1943 wird Esther in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert. Sie erhält die Häftlings-Nr. 41948, die ihr eintätowiert wird. Aber sie hat Glück im Unglück. Sie soll im Lager-Orchester mitwirken, das eine Akkordeonspielerin sucht. Das bedeutet ihre Rettung. Im November 1943 kommt sie in das KZ Ravensbrück, weil sie „arisches Blut“ in den Adern hatte. Ihre Großmutter väterlicherseits war nichtjüdischer Abstammung. 1945 zwangen die Nazis die Insassen zum „Todesmarsch“ ins mecklenburgische Malchow. Esther wird von US-Soldaten gerettet und überlebt.

Erst nach Kriegsende erfuhr sie, dass ihre Eltern und ihre Schwester Ruth ermordet wurden. Sie ging zu ihrer Schwester nach Israel und verbrachte dort die nächsten 15 Jahre. Sie machte eine Ausbildung als Sängerin, heiratete Nissim Bejarano und bekam zwei Kinder. Die Familie beschließt 1960 Israel zu verlassen und nach Deutschland zu gehen. Sie zogen nach Hamburg, eröffneten eine kleine Wäscherei. Später eröffnete ihr Mann eine Diskothek in Uetersen, die sie aber wieder infolge antisemitischer Hetze Bewohner schließen mussten. Sie zogen nach Hamburg zurück. Esther eröffnete eine Boutique, ihr Mann wurde Feinmechaniker, ihr Sohn Versicherungskaufmann und ihre Tochter Sängerin.

Als einer der letzten Zeitzeugen der Gräueltaten des Naziregimes sprach Esther Bejarano auf hunderten Veranstaltungen gegen Rechtsextremismus. Sie erzählte in Schulen von ihrer Zeit in Auschwitz, protestierte auf Demos gegen die Neonazis. Sie übernahm den Vorsitz des deutschen Auschwitz-Komitees, ergriff das Wort für Flüchtlinge und sang mit der Band Microphone Mafia auf Konzerten gegen Rechts.

„Ihr habt keine Schuld an dieser Zeit. Aber ihr macht euch schuldig, wenn ihr nichts über diese Zeit wissen wollt. Ihr müsst alle wissen, was damals geschah. Und warum es geschah“, mahnte Esther Bejarano einst. Wir in Saarlouis werden sie stets beim Wort nehmen.

Musikalisch gestaltet wurde die Veranstaltung von Nino Deda am Akkordeon.

Autorin: Petra Molitor

Peter Demmer, Ricarda Kunger und Roland Rixecker enthüllen gemeinsam das neue Straßenschild. Fotos: Petra Molitor