Hier ein Stück vom Brötchen, da ein paar Pommes! Wer hat nicht schon mal den hungrigen Tauben in der Stadt den ein oder anderen Happen hingeworfen? Welche Auswirkungen es allerdings hat, wenn viele Menschen den Straßentauben etwas von ihrer Mahlzeit abgeben, ist uns dabei meistens nicht bewusst. Und in Saarlouis tun das viele!
Die Festungsstadt ist attraktiv bei uns Menschen. Und weil das so ist, ist sie auch so beliebt bei den Stadttauben. Nach Saarlouis kommen viele Menschen zum Shoppen, zum Ausgehen, zum Arbeiten oder um zur Schule zu gehen. Viele der Besucher essen dabei etwas unter freiem Himmel, in der Außengastronomie, am Imbissstand oder auf einer der zahlreichen Sitzgelegenheiten. Die Tauben freut das, fällt doch immer etwas Fressbares für sie ab. Zudem geht die Wertschätzung für Lebensmittel in unserer Überflussgesellschaft zurück. Dadurch fällt es uns leichter, das Essen mit den Tauben zu teilen oder die Reste achtlos wegzuwerfen.
Aber sind die Nahrungsmittelreste, die wir den Tauben geben, eigentlich gut und gesund für Vögel? Eigentlich sind Tauben Körner- und Samenfresser, die gelegentlich auch Grünfutter zu sich nehmen. Verarbeitete menschliche Lebensmittel wie Brot und Wurst, die unter anderem viel Salz enthalten, sind kein artgerechtes Taubenfutter. Sie werden von den Tauben gefressen, weil nicht ausreichend geeignetes Futter verfügbar ist. Allerdings wird der ansonsten eher feste Kot der Tauben davon flüssig und durchfallartig.
Dennoch ermöglicht das ungesunde Futter den Tauben Eier zu legen, zu brüten und so für Nachkommen zu sorgen. Stadttauben können viermal pro Jahr jeweils zwei Eier ausbrüten, im Idealfall sogar bis zu sechsmal. Selbst im Herbst und Winter können bei regelmäßiger Nahrungsversorgung brütende Tauben angetroffen werden. Da es in der Stadt aber schon viele Tauben und damit viel Konkurrenz um Futter und Brutplätze gibt, sind die Überlebenschancen für den Nachwuchs gering. Bis zu 90 % der Jungtauben sterben im ersten Lebensjahr. Viel Futter bedeutet somit zunächst einmal viele Tauben, vor allem gibt es durch die Überbevölkerung aber auch zahlreiche Jungtauben, die einem harten Überlebenskampf ausgesetzt sind. Hohe Taubenbestände bedeuten überdies mehr Krankheiten und Parasiten sowie sozialen Stress für jeden einzelnen Vogel.
Bekanntlich freut sich nicht jeder über die vielen Tauben. Immer wieder beklagen sich in Saarlouis Einwohner, Geschäftsleute und Besucher über Taubenkot und Federn. Eine Taube produziert etwa 12 kg Kot pro Jahr. Viel Geld wird daher investiert für Reinigungs- und Abwehrmaßnahmen, wie Taubenspikes, Drähte und Netze. So mancher Mensch bringt der Taube deshalb nur wenig Sympathie entgegen. Und das obwohl die Taube traditionell als Symbol des Friedens und der Liebe verehrt wird.
Verschärft werden die Probleme für Tauben und Menschen durch wohlmeinende Taubenfreunde, die große Mengen von Taubenfutter an verschiedenen Stellen der Stadt auslegen und das oft heimlich nachts und teilweise illegal. Illegal deshalb, weil in der Innenstadt von Saarlouis ein Taubenfütterungsverbot gilt. Wer hierbei vom Ordnungsamt erwischt wird, muss mit einer Geldbuße rechnen. Diese Fütterungen führen letztlich zu noch mehr Tauben in der Stadt und verschärfen damit den Konkurrenzkampf und das Leid der einzelnen Tauben zusätzlich. Und ein weiteres Problem entsteht hier: Denn auch Ratten werden vom Taubenfutter angezogen und finden sich an den regelmäßigen Futterstellen ein.
Straßentauben gehören zum Bild jeder Stadt. Deshalb kann das Ziel auch keine taubenfreie Stadt sein. Angestrebt werden sollte ein kleiner stadtverträglicher Taubenbestand. Das ermöglicht den Tauben ein tierschutzgerechtes Leben und führt kaum zu Problemen für den Menschen. Da die Zahl der Tauben direkt von der Futtermenge abhängt, muss dazu das Nahrungsangebot verringert werden. Deshalb führt die Stadt Saarlouis zurzeit eine Aufklärungskampagne zum Taubenfüttern durch. Sie ruft dazu auf, keine Tauben zu füttern und informiert über die Probleme, die für Mensch und Tier durch das Füttern der Tauben entstehen.
Datum: 12.04.2022
Autor: Dr. Andreas Ney